Dennis F. und Michael Grewe der Rädelsführerschaft belastet

Bericht vom zweiten Prozesstag am 25. Januar 2010 in den Verhandlungen um den Neonazi-Überfall in Pölchow 2007

Im Prozess um den Überfall von Neonazis auf eine Gruppe nicht-rechter Jugendlicher im Sommer 2007 in Pölchow fand heute der zweite Verhandlungstag vor dem Landgericht Rostock statt. Nachdem in der vergangenen Woche der angeklagte Neonazi Michael Grewe über seinen Anwalt eine Einlassung verlesen ließ und drei der Betroffenen, die als Nebenkläger auftreten, befragt wurden, wurden heute weitere Zeugen gehört.

Neben einem der betroffenen Nebenkläger, der seine Schilderungen vom letzten Mal fortsetzte, wurden vier weitere Jugendliche aus der Gruppe der Angegriffenen als Zeugen angehört. Ihre Aussagen machten ein weiteres Mal die Brutalität der Neonazis und die Beklemmung und Panik der Betroffenen deutlich, die der Gewalt schutzlos ausgeliefert waren. Sie schilderten, wie sie in Schwaan in den Zug Richtung Rostock einstiegen, um an den Protesten gegen den NPD-Aufmarsch teilzunehmen. Unruhe machte sich breit, als die Ersten aus der Gruppe die mitreisenden Neonazis wahrnahmen; sie steigerte sich in Panik, als die Rechten unter Drohungen versuchten, in den Waggon einzudringen. Beim Halt in Pölchow schließlich öffneten sie die Außentüren und betraten „Schulter an Schulter“, wie ein Zeuge sich erinnerte, in den Zug – an der Spitze Michael Grewe. Zusammen mit den anderen Rechten schlug er auf die Betroffenen ein, fiel aber zugleich durch Kommandos an die anderen Neonazis und Drohungen gegenüber den Opfern auf. „Hier kommt ihr nicht mehr raus!“, erinnerte sich ein Zeuge, schallte es aus der Gruppe. Scheiben barsten, die Angreifer versperrten unter hämischen Bemerkungen den Flüchtenden den Weg aus dem Zug. Gezielt wurde ihr Waggon nach Opfern durchsucht.

Weitere Zeugen gehört

Ein Betroffener berichtete, wie er noch versucht hatte, eine Zwischentür aus Glas zuzuhalten. Sie wurde jedoch von den Neonazis zerschlagen und er in den Mob der Angreifenden gezogen, wobei er sich eine fünf Zentimeter tiefe Schnittwunden zuzog. Ein anderer Zeuge erinnerte sich, wie einer Frau „mit voller Wucht“ in den Bauch getreten wurde. Einzeln, so einer der Jugendlichen, zogen die Rechten ihre Opfer auch an den Haaren aus der Gruppe der Angegriffenen, schlugen auf sie ein und warfen sie dann aus dem Zug. Auf dem Bahnsteig scharrten sich wiederum Rechte in Trauben um die Betroffenen und prügelten auf sie ein. Die Betroffenen erzählten, dass sie sich lange nach dem Angriff noch in ärztliche und auch psychologische Behandlung begeben mussten.

Mehrere Zeugen betonten erneut die besondere Rolle von Michael Grewe, der als einer der Anführer und Initiator der Gewalt aufgefallen war. So berichtete einer der Betroffenen, wie Grewe eine Gruppe von Jugendlichen aufforderte, den Zug zu verlassen. Auf ihre Frage, ob ihnen dann nichts passiere, antwortete er, dass er das nicht versprechen könne. Während der ganzen Zeit hatte er das hämische Grinsen im Gesicht, das er auch im Prozess zur Schau trägt.

Zugleich wurde am heutigen Verhandlungstag der Angeklagte Dennis F. von zwei Zeugen belastet. Er hat, so hieß es, Anweisungen gegeben, die späteren Opfer des rechten Übergriffs im Zug von anderen Fahrgästen getrennt und selbst auf sie eingeschlagen.

Das fragwürdige Verhalten der Polizei am Ort des Geschehens wurde einmal mehr von Betroffenen geschildert. Unmittelbar nach deren Eintreffen haben sie den Beamten die Situation geschildert und sogar auf Täter wie Michael Grewe hingewiesen. Anstatt jedoch auf die Berichte einzugehen, wurden die Opfer des Überfalls erkennungsdienstlich behandelt, als ob sie selbst Angreifer gewesen seien.

Neben den Betroffenen wurden auch mehrere andere Personen aus dem Zug gehört. Ein junger Mann berichtete, wie „gruselig“ die in Güstrow einsteigende Gruppe der Rechten auf ihn gewirkt hat. Er erinnerte sich an Grewe, das Erlebnis der Auseinandersetzungen und daran, dass die Neonazis auch andere Fahrgäste angepöbelt hatten.

Der Lokführer berichtete, wie er der Notbremsung nachgegangen war und dabei die Auseinandersetzungen erlebt hatte. Während er seiner Dienststelle von den Ereignisssen berichtete, hätte ihn Udo Pastörs angesprochen und sich als Landtagsabgeordneter vorgestellt. Er hätte ihn aufgefordert, unverzüglich nach Rostock weiterzufahren, da er sonst für die Sicherheit nicht garantieren könne – noch bevor die Polizei eingetroffen war.

Pastörs drängte zur Weiterfahrt

Pastörs, der in der Einlassung von Michael Grewe am ersten Prozesstag diesen bereits aufgefordert haben soll, sich vom Tatort zu entfernen, spielte auch in der Aussage einer weiteren Zeugin eine fragwürdige Rolle. Nadine B. gab an, auf dem Weg nach Rostock gewesen zu sein und sich im Abteil der nicht-rechten Reisegruppe aufgehalten zu haben. Nach den Ereignissen redete sie noch während der Weiterfahrt nach Rostock mit Udo Pastörs, der ihre Aussagen auch mitgeschrieben haben soll. Die NPD gab wenige Tage nach dem Angriff auf ihrer Website ausführlich Angaben von B. wieder – nach denen „Linke“ sie etwa belästigt und sich auf sie gesetzt hätten – von denen sie heute jedoch in weiten Teilen nichts mehr wissen wollte.

Im Anschluss an das Gespräch mit Pastörs meldete sich B. in Rostock bei Polizeibeamten und machte noch mehrmals Aussagen. Darin und auch in der heutigen Verhandlung widersprach sie sich mehrmals: So will sie beobachtet haben, wie die nicht-rechten Jugendlichen mit Rucksäcken voller Steine den Zug betreten haben, um dann während der Fahrt noch vor dem Halt in Pölchow damit in den Abteilen „hin und her“ zu werfen. Später gab sie an, keine Steinwürfe beobachtet, sondern diese nur geschlussfolgert zu haben. Mal meinte sie, die „Linken“, dann wieder die Neonazis seien an ihrer schwarzen Kleidung zu erkennen gewesen. Obgleich sie in einem anderen Waggon gesessen hat, will sie gesehen haben, wie von Seiten der „Linken“ die Notbremse gezogen worden sei. Angesichts der Vielzahl von Widersprüchen, die sowohl von der Verteidigung als auch den Nebenklägern festgestellt wurden, musste eine Anwältin die Zeugin daran erinnern, dass sie zur Wahrheit verpflichtet ist.

Zum Ende des Tages wurde der Zeuge Karl J. aus Gnoien gehört, der an dem Tage auf dem Weg zur NPD-Demo gewesen ist. Sein Bericht war bisher nirgends aufgetaucht – er hatte im Anschluss an die Ereignisse noch die Aussage verweigert. Nun war er, wie er wiedergab, von einer Person aus der NPD geladen worden. Er erzählte, in der Gruppe von Rechten gewesen zu sein, die sich im Waggon der alternativen Jugendlichen aufhielt und nach einem Streit mit einigen von ihnen das Abteil in Pölchow verlassen habe. Von diesen soll jemand verletzt und anderen die Kleidung beschädigt worden sein; genaue Angaben zu den vermeintlichen Betroffenen konnte er jedoch nicht machen, ihm selber sei nichts passiert. Eine Anzeige ist durch ihn nicht erfolgt.

Der Prozess wird am 29. Januar fortgesetzt.

Weitere Informationen zu den Ereignisse in Pölchow in einer Übersicht unter:

http://www.poelchow-prozess.info

Prozessgruppe Pölchow, 25. Januar 2010

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