Weitere Beweisanträge im Prozess um Neonazi-Überfall

Bericht vom vierten Prozesstag am 04. Februar 2010 in den Verhandlungen um den Neonazi-Überfall in Pölchow 2007

Begleitet von Störungen durch Neonazis hat heute vor dem Landgericht Rostock der vierte Prozesstag in der Verhandlung des rechten Überfalls in Pölchow im Juni 2007 stattgefunden. Während drei Polizeibeamte und ein Betroffener ihre Erinnerungen an die Ereignisse wiedergaben, fielen die anwesenden Neonazis, darunter einige NPD-Funktionäre, durch Pöbeleien, Zwischenrufe und Rempeleien auf. Einer musste wegen der Zurschaustellung neonazistischer Symbolik den Saal verlassen.

Die drei geladenen Polizisten gehörten zu den Beamten, die am Bahnhof von Pölchow eine halbe Stunde nach dem Überfall aus der Gruppe der mehr als 100 Neonazis auf die nicht-rechten Jugendlichen eintrafen. Obgleich sie sich angesichts der langen Zeit an Details oft nicht mehr erinnern konnten, schilderten sie ihre Aufgabe gegenüber den Rechten und den angegriffenen Betroffenen. Eine Gruppe von Polizisten stellte nach einem Hinweis von Zivilbeamten etwa zehn Personen, die sich weit abseits des Geschehens aufhielten – weil sie, wie sie mitgeteilt hätten, mit der Schlägerei nichts zu tun haben wollten. Weitere Fragen stellten die Beamten dieser Gruppe, in der sich auch der Angeklagte Dennis F. befand und die keine Verletzungen oder Beeinträchtigungen aufwies, nicht. An eine Durchsuchung konnte sich der Zeuge nicht erinnern.

Ein anderer Polizist nahm die Personalien der nicht-rechten Jugendlichen auf, von denen einige verletzt waren. An Waffen, Vermummung oder auffällige, einheitliche Kleidung – wie es von der Neonazi-Szene behauptet wird – erinnerte er sich dabei nicht. Die Beamten berichteten auch über Blutspuren im Zug und herausgerissene Haarbüschel.

Im Gegensatz zu den nicht-rechten Betroffenen des Angriffs, die ausführlich mit ihren Personalausweisen gefilmt wurden, beschränkte sich die Polizei bei den Neonazis auf Aufnahmen der Gesichter. Da einige von ihnen keine Ausweise hätten vorweisen können, so hieß es, habe man nicht darauf bestanden.

Betroffener: Angeklagter hat Gewalt genossen

Abschließend wurde ein weiterer Betroffener des Neonazi-Überfalls gehört. Er schilderte eine relativ ruhige Bahnfahrt, die in Pölchow jäh durch das Einwerfen der Scheiben und die in den Waggon eindringenden Neonazis unterbrochen wurde. Sie schlugen auf Teilnehmer seiner Reisegruppe ein und traten auch noch die bereits auf dem Boden Liegenden. Er selber hatte nach Schlägen Verletzungen im Gesicht und infolge eines Trittes Schmerzen an der Niere. Zwar konnte er unter den drei Angeklagten niemanden als Schläger identifizieren. An Michael Grewe, der kommandiert und die Opfer angeschrien hatte, erinnerte er sich jedoch. Dieser, gab er seine Eindrücke wieder, hatte die Situation genossen, sich augenscheinlich sehr wohl gefühlt und beständig gegrinst.

Im Verlauf der heutigen Verhandlung stellten die Anwälte der Nebenklage mehrere Beweisanträge. So sollen ein weiterer Polizeibeamter und ein Sachverständiger vorgeladen werden, um zu klären, dass die Scheiben des Zuges von den angreifenden Neonazis und nicht aus dem Waggoninneren von den Betroffenen zerstört wurden. Um weiterhin deutlich herauszustellen, dass die Gruppe der alternativen Jugendlichen nicht vermummt und aggressiv den Zug bestieg, soll ein Bahnangestellter angehört werden. Ein anderer Polizist soll außerdem zur Glaubwürdigkeit des am zweiten Verhandlungstag angehörten Zugfahrers sprechen, der in ersten Vernehmungen noch ganz andere Aussagen über die angegriffenen Jugendlichen gemacht hatte und sie vor Gericht als einheitlich und schwarz gekleidet dargestellt hatte. Auch eine weitere Betroffene des Überfalls soll geladen werden.

Über die Zulassung der Anträge entscheidet das Gericht am nächsten Verhandlungstag. Für diesen hat der Angeklagte Dennis F. zudem eine Einlassung angekündigt, möglicherweise wird auch von einem Neonazi beschlagnahmtes Videomaterial gesichtet. Als weitere Prozesstermine wurden der 16. und 22. Februar sowie der 1. März festgelegt.

Noch mehr als bei den letzten Verhandlungstagen fielen heute die anwesenden Neonazis durch Pöbeleien, Zwischenrufe und Rempeleien auf. Einer von ihnen musste den Saal verlassen, nachdem das Gericht ihn auf sein T-Shirt mit dem Schriftzug der rechts-terroristischen Gruppierung „Combat 18“ (Code für: „Kampfgruppe Adolf Hitler“) angesprochen hatte. Andere verhöhnten den Betroffenen des Angriffs im Zeugenstand. Die wiederholten Hinweise des Richters, dass Beteiligte an den Ereignissen in Pölchow dem Prozess nicht zuschauen sollen, da sie noch als Zeugen geladen werden könnten, missachteten die Neonazis – dabei stammten einige von ihnen aus Vorpommern und Westmecklenburg, von wo auch die Rechten damals anreisten. So waren heute etwa die NPD-Mitarbeiter und -Aktivisten Michael Gielnik, Franziska Vorpahl oder Mathias Krebs anwesend.

Der Prozess wird am 16. Februar um 9.30 Uhr fortgesetzt.

Weitere Informationen zu den Ereignisse in Pölchow ausführlich unter:

http://www.poelchow-prozess.info

Prozessgruppe Pölchow, 04. Februar 2010

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