Skandal im Pölchow-Prozess: Anwalt trifft Entlastungszeugen im Vorfeld

Verteidiger trifft sich mit Zeugen – Neonazis geben Zeugen Einblick in Ermittlungsakten

Pressemitteilung der Prozessgruppe Pölchow vom 29. Januar 2010

Einen überraschenden Verlauf nahm der Prozess um den Neonazi-Angriff in Pölchow im Sommer 2007 am heutigen dritten Verhandlungstag. Einer von zwei vermeintlichen Entlastungszeugen aus der rechten Szene, die von der Verteidigung geladen worden waren, gab an, im Vorfeld mittels des bekannten Neonazis und NPD-Funktionärs David Petereit Einblick in die Ermittlungsakten erhalten zu haben. Außerdem haben sich auf seine Vermittlung hin die beiden Zeugen im Vorfeld ihrer Aussage vor Gericht mit einem verteidigenden Anwalt getroffen.

Weitere Betroffene berichteten heute von ihrer Zugfahrt nach Rostock, wo sie an Protesten gegen eine NPD-Demonstration teilnehmen wollten. Beim Halt in Pölchow wurden sie aus der Gruppe der mehr als 100 mitreisenden Rechten überfallen und brutal mißhandelt. Sie schilderten erneut, wie die Jugendlichen hilflos der Gewalt der Neonazis ausgeliefert waren. Die Angreifer hätten die “ganze Situation genossen”, gab ein Zeuge seine Eindrücke wieder.

Zugleich wurden heute von der Verteidigung zwei Zeugen vorgeladen, die kurz vor dem Angriff mit den nicht-rechten Jugendlichen verbal aneinandergeraten waren. In der Prozessbegleitung der Neonazi-Szene und der Einlassung des angeklagten NPD-Mitarbeiters Michael Grewe gilt dies als “antifaschistischer Angriff”, auf den die Rechten mit “Nothilfe” hätten reagieren müssen. In ihrer Befragung gaben die beiden jungen Männer, die sich selber der rechten Szene zurechnen, an, von dem NPD-Funktionär David Petereit auf ihre Bereitschaft zur Aussage im Prozess angesprochen worden zu sein. Einer von beiden gab zu, von ihm Einblick in die Anklageschrift gegen Michael Grewe erhalten zu haben, die Teil der Ermittlungsakten ist. Kurz vor ihrer Aussage, gaben sie übereinstimmend wieder, hat Petereit zudem ein gemeinsames Gespräch mit dem Verteidiger Sven Rathjens vermittelt. Dieser bestätigte vor Gericht anschließend ein Treffen in der vergangenen Woche. Absprachen will er zwar nicht getroffen, sondern nur ihre Erinnerung abgefragt haben.

“Neonazi-Szene und NPD arbeiten nicht nur in ihrer Propaganda an der Verdrehung der Tatsachen”, kommentiert Franziska Holtz, Pressesprecherin der Prozessgruppe Pölchow. “Heute wurden fragwürdige Methoden aufgedeckt. Mit den vermeintlichen Entlastungszeugen wird aber auch die Version der Täter unglaubwürdig.”

Als Anwalt von Michael Grewe, dessen wichtige Rolle bei dem Angriff sich immer deutlicher im Prozess abzeichnet, trat bisher das NPD-Landtagsmitglied Michael Andrejewski auf. Die Verteidigung wurde heute durch den Rostocker Anwalt Thomas Penneke ergänzt. Penneke ist in der Vergangenheit zunehmend als gefragter Verteidiger der Neonazi-Szene aufgefallen. Er arbeit mit Sven Rathjens in einer Kanzlei und ist auch bereits als Anwalt von David Petereit aufgetreten.

Ausführliche Informationen sind im Prozessbericht zum dritten Verhandlungstag zu finden.

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