Prozessgruppe: Neonazi verhöhnt Opfer mit Schutzbehauptung

Verhandlung um Neonazi-Überfall in Pölchow hat heute vor dem Landgericht Rostock begonnen

Pressemitteilung der Prozessgruppe Pölchow vom 20. Januar 2010.

Nach dem ersten Verhandlungstag um den Überfall von Neonazis auf eine Gruppe nicht-rechter Jugendlicher in Pölchow bezeichnet die Prozessgruppe Pölchow die Einlassungen des Hauptangeklagten Michael Grewe als Schutzbehauptungen. Die Zeugenaussagen von Betroffenen der Gewalt haben dagegen einmal mehr die Brutalität des rechten Angriffs deutlich gemacht.

Aus einer Gruppe von mehr als 100 Neonazis waren im Juni 2007 etwa 60 nicht-rechte Jugendliche auf dem Weg zum Protest gegen eine NPD-Demonstration in Pölchow bei Rostock angegriffen und mißhandelt worden. Drei der Beteiligten sind nun wegen schweren Landfriedensbruch und Körperverletzung vor dem Landgericht Rostock angeklagt, unter ihnen der Mitarbeiter der NPD-Landtagsfraktion Michael Grewe. Andere NPD-Landtagsabgeordnete waren damals Zuschauer der Gewalt und griffen nicht ein.

„Mit aberwitzigen Behauptungen versucht der Angeklagte Michael Grewe, seine Rolle bei dem Angriff zu einer Art ‚Nothilfe‘ umzudeuten“, kommentiert Franziska Holtz, Pressesprecherin der Prozessgruppe Pölchow. „In seiner Einlassung macht er die Opfer zu den eigentlichen Tätern. Seine anschließende Flucht vom Tatort wird zu einem kurzen Fußmarsch ins zehn Kilometer entfernte Schwaan umgeredet.“

Unter den Anwälten der Angeklagten wird Grewe vom NPD-Landtagsabgeordneten Michael Andrejewksi vertreten. Die Verteidiger scheinen die Strategie der NPD fortsetzen zu wollen, mit der die Parteifunktionäre bereits direkt im Anschluss an den Angriff diesen als Reaktion auf vermeintliche linke Gewalt darzustellen versuchten. Nicht ohne Erfolg: Lange Zeit ermittelten Polizei und Staatsanwaltschaft gegen die Opfer des Überfalls, bis die Untersuchungen aufgrund fehlenden Tatverdachts eingestellt wurden.

Die Angeklagten verweigerten im heutigen Prozess die Aussage, Grewe ließ über seinen Anwalt eine Einlassung verlesen. Im Folgenden kamen drei der Betroffenen zu Wort, die ihre Erinnerungen an den Angriff schilderten. Frühzeitig drohende Nazis, das Eindringen der Rechten in das Abteil der nicht-rechten Jugendlichen, zerberstende Scheiben, Schläge und Tritte bestimmten ihre Berichte vom Geschehen. Den Angeklagten Michael Grewe belasteten sie schwer.

„Der Prozess hätte schon viel früher beginnen können, wenn die Ermittlungsbehörden nicht den Geschichten der NPD von einer Notwehrreaktion aufgesessen wären“, kritisiert Florian Schmied, Pressesprecher der Prozessgruppe Pölchow den Beginn der Verhandlungen zweieinhalb Jahre nach der Tat. „Doch die falsche Richtung der Untersuchungen hat dazu geführt, dass ein Großteil der Angreifer nie ermittelt worden ist.“

Ein ausführlicher Prozessbericht ist auf der Website der Prozessgruppe Pölchow einsehbar.

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