“Rechter Gewalt offensiv entgegentreten”
Kundgebung als Zeichen gegen rechte Gewalt – Prozessgruppe übt Kritik an schlampigen Ermittlungen von Polizei und Staatsanwaltschaft
Pressemitteilung der Prozessgruppe Pölchow vom 15. März 2010
Unter dem Motto „Rechter Gewalt offensiv entgegentreten!“ demonstrierten am 15. März etwa 250 Menschen in Rostock vor dem Gebäude der Staatsanwaltschaft. Der Ort für den Protest war nicht zufällig gewählt: Die Kundgebung sollte der Kritik an den schlampigen Ermittlungen von Polizei und Staatsanwaltschaft Nachdruck verleihen und in Sichtweite von NPD-Bürgerbüro und Neonazi-Laden ein deutliches Zeichen gegen rechte Gewalt setzen. Musikalisch unterstützt wurde die Kundgebung durch die antifaschistische Band „Feine Sahne Fischfilet“.
Besonders eindrücklich waren die Schilderungen von Betroffenen des brutalen rechten Übergriffs, die am späten Nachmittag über einen Lautsprecherwagen durch die Doberaner Straße hallten und Passanten auf den eigentlichen Anlass der Kundgebung aufmerksam machten. Der liegt nun schon mehr als zweieinhalb Jahre zurück: Am 30. Juni 2007 machten sich etwa 60 links-alternative Jugendliche vom Fusion-Festival in Lärz mit dem Zug auf den Weg nach Rostock, um sich an Protesten gegen einen Aufmarsch der NPD zu beteiligen. Am Bahnhof Pölchow wurden sie von Neonazis aus einer Gruppe von mehr als 100 Rechten angegriffen. Die Neonazis stürmten die Bahn, schlugen und traten auf ihre Opfer ein und verletzten viele von ihnen erheblich.
Neben den Aussagen der Betroffenen, wurde in Redebeiträgen der Prozessgruppe Pölchow und einer antifaschistischen Gruppe aus Rostock auf die unrühmliche Rolle hingewiesen, die nicht nur den Angreifern, sondern auch den staatlichen Behörden im Fall Pölchow zukommt. Ihren fragwürdigen und fahrlässigen Ermittlungen ist es geschuldet, dass die Propaganda der NPD in der Öffentlichkeit Gehör fand, zunächst gegen die Opfer des Angriffs ermittelt und letztlich nur drei Tätern der Prozess gemacht wurde. Im Prozess selbst fiel die zuständige Staatsanwältin vor allem durch ihre Inaktivität auf und forderte Bewährungsstrafen. Die Staatsanwaltschaft Rostock sei „auf dem rechten Auge blind“, kritisierte der Anwalt eines Nebenklägers im Prozess. Am 16. März wird vor dem Landgericht Rostock um 13 Uhr das Urteil gegen die drei angeklagten Neonazis gesprochen.
Im Hinblick auf die Urteilsverkündung erklärt Franziska Holtz von der Prozessgruppe Pölchow: „Verurteilungen und Verbote ändern nichts an der breiten Zustimmung von Teilen der Bevölkerung zu menschenfeindlichen Ideologien. In Rostock treiben Neonazis auch weiterhin ihr Unwesen, etwa in der Rostocker Bürgerschaft, ihrem Szenegeschäft ‘Dickkoepp’ sowie dem NPD-Bürgerbüro. Derweil mobilisiert die NPD für einen Aufmarsch am 1. Mai in die Hansestadt. Diese und ähnliche Aktivitäten der Neonazis haben und werden immer wieder unseren Protest heraufbeschwören. Der Pölchow-Prozess hat einmal mehr gezeigt, dass Antifaschismus nicht dem Staat überlassen werden kann.“