Angeklagter macht Verhandlung zur Farce
Dennis F. lässt abenteuerliche Einlassung zu Tatvorwürfen verlesen – Nebenklageanwalt will Anklage um versuchten Mord ergänzen
Pressemitteilung der Prozessgruppe Pölchow vom 22. Februar 2010
Im Prozess um den Überfall einer Gruppe Neonazis auf nicht-rechte Jugendliche in Pölchow im Sommer 2007 hat am heutigen sechsten Verhandlungstag einer der Angeklagten eine Einlassung verlesen lassen, deren kreatives Potential beachtlich war. Ein Polizeivideo vermittelte einmal mehr einen Eindruck von der Brutalität des rechten Angriffs und der Nebenklageanwalt eines Betroffenen beantragte, die Anklage um den Vorwurf des versuchten Mords zu ergänzen.
In seiner Einlassung zum Ende des Prozesses, nachdem er alle Vorwürfe gegen sich schon gehört hat, stellte der Angeklagte Dennis F. seine Version des rechten Überfalls vor. “Linksextremisten” hätten seine mehr als 100 Personen starke Gruppe ausgespäht und nach dem Betreten des Zuges einzelne Rechte angegriffen. Fast schon heldenhaft hätte F. seine Gesinnungsgenossen verteidigt und dabei die Ereignisse noch so genau wahrgenommen, dass sie den Verlautbarungen entsprechen, die NPD und Neonazi-Szene seit mehr als zwei Jahren verbreiten. Auch der Angeklagte Michael Grewe, Mitarbeiter der NPD-Landtagsfraktion, ließ zum Prozessauftakt eine ähnliche Einlassung verlesen.
Filmaufnahmen vom Polizeieinsatz, die im heutigen Prozess gezeigt wurden, widerlegten diese Behauptungen von schwarz uniformierten “Linksextremisten”, die Rucksäcke voller Steine mit sich geführt und mit diesen im Zug herumgeworfen hätten. Stattdessen zeigten sie einmal mehr das Ausmaß der rechten Gewalt und dokumentierten die vielen Verletzungen, die die Gruppe der nicht-rechten Jugendlichen bei dem Neonazi-Angriff erleiden mussten. Nach Zeugenaussagen, die die Brutalität der Neonazis deutlich gemacht hatten, beantragte einer der Anwälte der Nebenklage heute die Ergänzung der Anklage um den Vorwurf des versuchten Mords. Wären die Angreifer nicht abgelenkt worden, so ein Betroffener, hätten sie seinen Mandanten totgeschlagen. Die Rechten hätten geplant und aus niederen Beweggründen gehandelt, da sie ihre Opfer nur aufgrund von deren politischer Einstellung angegriffen hätten.
Auch am heutigen Verhandlungstag wurde einmal mehr die fragwürdige Rolle der Schweriner NPD-Landtagsabgeordneten offenbar. Damals waren die NPD-Landtagsabgeordneten Udo Pastörs, Stefan Köster und Tino Müller in der rechten Reisegruppe gewesen. Keiner der Betroffenen hat sie jedoch einschreiten oder ihre Anhänger beruhigen sehen. Der Angeklagte F. ließ heute erklären, dass er sich auf Anregung von Pastörs vom Tatort entfernt hätte. Bereits Michael Grewe hatte kundgetan, dass ihn der NPD-Fraktionsvorsitzende zum Fußmarsch nach Schwaan aufgefordert hatte. Der Lokführer hatte im Gericht berichtet, dass Pastörs ihn damals noch vor dem Eintreffen der Polizei zur Weiterfahrt gedrängt hatte.
“Mit ihren Aussagen wollen die Angeklagten den Prozess offenbar zu einer Farce verkommen lassen”, kommentiert Franziska Holtz, Pressesprecherin der Prozessgruppe Pölchow. “Ihre Einlassungen widersprechen den Berichten der Betroffenen, der unbeteiligten Zeugen und der Polizei. Dies zeigt einmal mehr, dass sowohl Grewe als auch F. keine Reue über ihre Beteiligung an dem Überfall in Pölchow empfinden, dass Gewalt für sie akzeptiertes Mittel der politischen Auseinandersetzung ist.”
Ausführliche Informationen sind im Prozessbericht zum sechsten Verhandlungstag zu finden.