Prozessgruppe Pölchow » Prozessberichte https://systemausfall.org/~poelchow-prozess Informationen und Hintergründe zum Neonazi-Überfall in Pölchow Thu, 29 Mar 2012 14:15:26 +0000 http://wordpress.org/?v=2.9.1 en hourly 1 Ticket zum Prügeln https://systemausfall.org/~poelchow-prozess/?p=116 https://systemausfall.org/~poelchow-prozess/?p=116#comments Fri, 05 Mar 2010 19:13:27 +0000 admin https://systemausfall.org/~poelchow-prozess/?p=116 Bericht vom achten Prozesstag am 05. März 2010 in der Verhandlung um den Neonazi-Überfall in Pölchow 2007

Freispruch forderte das NPD-Landtagsmitglied Michael Andrejewski für seinen Mandanten und Parteikollegen Michael Grewe und meinte, Zivilcourage gegen Rechts sei vergleichbar mit Antisemitismus oder Rassismus. Die Verteidiger der Angeklagten hielten am heutigen achten Verhandlungstag ihre Plädoyers im Prozess um den Überfall von Neonazis auf nicht-rechte Jugendliche in Pölchow im Sommer 2007, das Urteil wird am 16. März erwartet.

Bereits in ihrem Plädoyer am vergangenen Verhandlungstag hatte die Staatsanwältin mitgeteilt, dass Stefan V. freigesprochen werden müsse. Es sei zwar davon auszugehen, dass er an dem Angriff beteiligt war, doch im Prozess konnte ihm keine genaue Tat nachgewiesen werden. Diesem Urteil schloss sich dessen Verteidiger Thomas Kampelmann an und wies darauf hin, dass nur ein Zeuge ihn erkannt hat, über genauere Beteiligungen an dem Angriff jedoch keine Angaben machen konnte.

NPD bemüht antisemitischen Vergleich

Dem folgte das NPD-Landtagsmitglied Michael Andrejewski mit einem Plädoyer für seinen Parteikollegen und -Mitarbeiter Michael Grewe. Er wollte einmal mehr glauben machen, dass der Angriff der Neonazis auf den Waggon der nicht-rechten Jugendlichen durch diese provoziert, gar gezielt herbeigeführt worden sei, als sie eine kleinere Gruppe von Neonazis zum Verlassen des Abteils aufgefordert hatten. Die auch als Zeugen vorgeladenen Rechten seien dabei selbst geschlagen worden, behauptete er, obgleich von diesen vermeintlichen Opfern niemand das vor Gericht ausgesagt hatte. Ausholend verurteilte Andrejewski jedoch diese Konfrontation mit den Neonazis, die er als Versuch bewertete, eine Reaktion der größeren Gruppe Rechter zu provozieren. Solch ein Engagement gegen Neonazis, die sich bewusst für eine mörderische und menschenverachtende Ideologie aussprechen, setzte er gleich mit antisemitischer und rassistischer Gewalt. Man stelle sich vor, fragte er in bekannter NPD-Diktion, Ausländer oder Juden würden aus einem Zug herausgeworfen werden. Dahinter verberge sich eine „Apartheidsgesinnung der linken Schläger“. Dabei räumte er selbst ein, die Rechten seien „billig davon gekommen“. Würde Andrejewski mit Linken in einem Zug sitzen, würde er sofort sein Testament machen.

Grewe zum Hilfs-Sheriff stilisiert

Dass Michael Grewe in den Waggon der nicht-rechten Jugendgruppe stürmte, wertete Michael Andrejewski als Notwehrhandlung und einen Versuch zur Hilfe. Zynisch kommentierte er, der Besitz eines Zugtickets habe Grewe zum Betreten des Waggons ermächtigt. Er hätte „dabei genau so gehandelt, wie ein Polizeibeamter auch“. Die Aussagen der Betroffenen bewertete Andrejewski als abgesprochen und unglaubwürdig, während der Verteidiger stattdessen Berichte von Zeugen wie Nadine B. – die sich unentwegt in Widersprüche verstrickte, Lang- und Kurzhaarige verwechselte und Linke im Zug Steine hin- und herwerfen gesehen haben will – als seriös anführte.

Ausführlich ließ er sich über Grewes Frisur wie auch über Zeugenaussagen über dessen Einsatz von Quarzsandhandschuhen aus. Da der Neonazi und Aktivist des NPD-Ordnungsdienstes wisse, dass solche bei Demonstrationen nicht erlaubt seien, würde er sie natürlich auch nicht mit sich führen. Sein Mandant wisse, dass das Tragen von Waffen strafbar sei – derselbe Grewe, bei dem bereits verbotene Waffen wie eine Maschinenpistole und Munition gefunden worden sind. Ohne diese Waffe und angesichts der Notwehr würde jedoch auch der Vorwurf der gefährlichen Körperverletzung nicht zutreffen. Des Landfriedensbruchs hätte Grewe sich nicht schuldig gemacht, da zwischen den Angreifern im Zug und den prügelnden Neonazis auf dem Bahnsteig keine räumliche Nähe bestanden hätte. Es sei fragwürdig, ob Grewe überhaupt Teil einer Menschenmenge gewesen sei. Er wäre nach Auffassung von Andrejewski freizusprechen.

„Geschätzter“ NPD-Kollege

Der Verteidiger von Dennis F., der Rostocker Anwalt Sven Rathjens, schloss sich dem Plädoyer des NPD-Landtagsabgeordneten an und wollte die Aussagen seiner „geschätzten Kollegen“ unterstrichen wissen. Den Überfall der Neonazis bewertete er als Folge eines „linken“ Angriffs, bei dem Rechte zur Hilfe gekommen seien. Diese Nothilfe sei gerechtfertigt gewesen, weshalb er für seinen Mandanten wegen fahrlässiger Körperverletzung maximal eine Bewährungsstrafe von sechs Monaten forderte. Sein Bedauern gelte jenen, meinte er abschließend, die als Unbeteiligte in die Ereignisse hereingezogen worden seien. Dem schloss sich noch kurz sein Mandant F., während Michael Grewe und Stefan V. auch zum Prozessende sich eines Kommentars enthielten.

Das Urteil wird am 16. März verkündet.

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Prozessgruppe Pölchow, 05. März 2010

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Urteil müsse ein klares Signal gegen rechte Gewalt sein https://systemausfall.org/~poelchow-prozess/?p=105 https://systemausfall.org/~poelchow-prozess/?p=105#comments Mon, 01 Mar 2010 20:03:02 +0000 admin https://systemausfall.org/~poelchow-prozess/?p=105 Bericht vom siebenten Prozesstag am 01. März 2010 in der Verhandlung um den Neonazi-Überfall in Pölchow 2007

Haftstrafen, so die Nebenklage in der heutigen Verhandlung im Pölchow-Prozess, wären ein deutliches Signal an die Öffentlichkeit, dass rechte Gewalt nicht ungestraft bleibt. Nach dem Ende der Beweisaufnahme in der Verhandlung des Überfalls von Neonazis auf eine Gruppe nicht-rechter Jugendlicher in Pölchow im Sommer 2007 hielten heute die Staatsanwältin und die Anwälte der Betroffenen ihre Plädoyers. Während diese auf die Brutalität der Gewalttat, die Bedeutung der Ideologie und die ausbleibende Reue der Angeklagten aufmerksam machten, forderte die Vertreterin der Anklage Bewährungsstrafen für Michael Grewe und Dennis F.

Zum Beginn des heutigen siebenten Verhandlungstages lehnte das Gericht den Antrag eines der Nebenklageanwälte auf Ergänzung der Anklage um den Vorwurf des versuchten Mordes ab. Außerdem machte die zuständige Jugendgerichtshilfe auf die „erheblichen Reifedefizite“ und die „verzögerte Schulentwicklung“ des Angeklagten Stefan V. aufmerksam. Im Falle einer Verurteilung erfolgen würde, müsste berücksichtigt werden, dass er die Tat nicht alleine und aus eigenem Antrieb begangen hätte. Sie regte eine Verwarnung an.

Staatsanwältin auf dem rechten Auge blind?

In ihrem Plädoyer schilderte die Staatsanwältin den Hergang der Ereignisse, der mit dem Einstieg der nicht-rechten Gruppe von Jugendlichen in jene Regionalbahn begann, in der schon mehr als einhundert Rechte auf dem Weg zur NPD-Demonstration in Rostock saßen. Ein geplantes Vorgehen der alternativen Gruppe zu einem Angriff habe es nicht gegeben, allerdings sei es in ihrem Waggon mit der Aufforderung an einige Rechte, diesen zu verlassen, wohl zu einer ersten Provokation gekommen. Diese würde jedoch nicht die Gewalt rechtfertigen, die anschließend stattfand: Während ein Großteil der Rechten auf dem Bahnsteig verblieb, seien etwa zehn in den Zug gestürmt und hätten dort die Insassen bedroht und auf sie eingeschlagen. Unter diesen seien auf jeden Fall die drei Angeklagten gewesen. Mehrere Auseinandersetzungen hatten sich ergeben, bei denen die Rechten auch mit Zaunlatten auf ihre Opfer eingeschlagen und die Scheiben des Zuges zerstört hätten. Die bedeutende Rolle von Dennis F. und Michael Grewe bei der Gewalt habe durch eine Vielzahl von Zeugenaussagen deutlich gemacht werden können, letzterer habe zudem Kommandos an die Gruppe gegeben. Bis zum Rückzug der Rechten seien diese beiden die Organisatoren des Angriffs gewesen, die entscheidend gehandelt hätten.

Obgleich es als sicher gelten könne, dass Stefan V. an den Auseinandersetzungen beteiligt war, sei ihm keine genaue Tat nachzuweisen und er deshalb freizusprechen. Für Michael Grewe forderte sie ein Jahr und vier Monate in einer Bewährungszeit von drei Jahren. Im Fall von Dennis F. plädierte sie für eine Strafe von zwei Jahren, ausgesetzt auf eine Bewährungszeit von vier Jahren. Letzterem wurde zu Gute gehalten, dass er seine derzeitigen Bewährungsauflagen erfülle und sich in der Bewährungszeit nichts zu Schulden habe kommen lassen. Zudem schenkte die Staatsanwältin Tanja Bierfreund der Behauptung Glauben, dass Dennis F. sich von der rechten Szene distanziere. Wenig Beachtung bei dieser Einschätzung scheint die Staatsanwältin seinem engen und freundschaftlichen Kontakt mit organisierten Neonazis beigemessen zu haben. So war auch seine Einlassung unmittelbar nach dem vergangenen Prozesstag im Volltext auf einer einschlägigen Internetseite der norddeutschen Neonazi-Szene erschienen.

Gewalt immanenter Bestandteil rechter Ideologie

Der erste Nebenklageanwalt der Betroffenen machte in seinem Schlusswort auf die Ermittlungspannen der Polizei aufmerksam, die von Anfang an von einer wechselseitigen Schlägerei ausgegangen war und die Tatverdächtigen zuerst unter den Angegriffenen gesucht hatte. Darunter litten nicht nur die Ermittlungen gegen die eigentlichen Täter, sondern auch die mediale Öffentlichkeit hatte in weiten Teilen diese falsche Version der Ereignisse übernommen. Nichtsdestotrotz haben die beiden Angeklagten Michael Grewe und Dennis F. diese absurden Behauptungen in ihren Einlassungen aufrecht zu erhalten versucht. Dass sie solchen „großen Käse“ dem Gericht verkaufen wollen, müsste strafverschärfend in das Urteil einfließen. In seiner Zusammenfassung der Ereignisse in Pölchow, die damit begonnen hätten, dass die kleinere rechte Gruppe „mehr oder weniger freiwillig“ das Abteil der nicht-rechten Jugendlichen verlassen hätte, machte er einmal mehr deutlich, dass es sich um keinen in irgendeiner Form geplanten Überfall auf die Neonazis gehandelt haben kann. Stattdessen haben die Rechten angegriffen und ihre Opfer brutal verprügelt. Für die Angeklagten, die aktive Mitglieder oder Anhänger der Neonazi-Szene seien, gäbe es gemäß ihrer Anschauungen auch gar keinen anderen Weg, als Politik mit Gewalt durchzusetzen. So hat es sich bei dem Überfall nicht um „irgendeine Wirtshausschlägerei“ gehandelt: Die hier deutlich gewordene Gewalt ist „ideologieimmanent“. Er betonte außerdem, dass ein Ausstieg von Dennis F. aus der rechten Szene unglaubwürdig ist, da er sich nicht – etwa durch Kooperation in der Verhandlung – von dieser distanziert hat, sondern zu den Neonazis unter den Zuschauern ein freundschaftliches Verhältnis pflegt. Zudem ist für den Nebenklagevertreter das stete Grinsen der Angeklagten Dennis F. und Michael Grewe, die sich zudem vor Gericht als Opfer stilisierten, Ausdruck dafür, dass diese ihre Taten nicht bereuen.

Da es keine Hoffnung gibt, dass die Angeklagten ihre Meinung ohne Gewalt ausdrücken werden, forderte der Anwalt Haftstrafen nicht unter zwei Jahren. Mit diesen muss ein deutliches Zeichen gesetzt werden, dass rechte Ideologie nicht aktiv auf der Straße umzusetzen sei – was müsse noch passieren, fragte er, wenn nicht auf diese Brutalität eine Haftstrafe folge? Sollte diese nicht erlassen werden, plädierte er für „fühlbare Bewährungsauflagen“ in Form von Geldstrafen, die dem Verein zur Betreuung Betroffener rechter Gewalt LOBBI zukommen sollen.

Angeklagte hätten gelogen, dass sich die Balken biegen

Dass Grewe prügelnd durch den Zug gezogen sei, betonte die folgende Anwältin der Nebenklage in ihrem Schlusswort. Die Zeugenaussagen, die Videoaufnahmen und das Ausmaß der Zerstörung zeigen die Rücksichtslosigkeit der Gewalttäter auf. Klare Worte fand die Nebenklagevertreterin für die „Einlassungspapiere“, die sie als „Lügenkonstrukte“ zurückwies und dahingehend monierte, dass „Vernehmungen von Angeklagten (…) mündlich zu erfolgen“ haben. Im Weiteren zeigte sie Widersprüche etwa in den Aussagen über die Flucht auf: „Es ist ein Wunder, dass das Landgericht Rostock noch steht, weil sich die Balken hier so gebogen haben.“ Dahingehend sprechen die schriftlichen Einlassungen gegen die Angeklagten. Im ersten Satz der Einlassung von Michael Grewe, der auf seine Rolle im „Ordnungsdienst“ der NPD anspielt, machte die Anwältin vor dem Hintergrund seiner brutalen Gewalttaten gar einen möglichen „Verbotsgrund für die NPD“ aus. Ausrufe Grewes im Zug haben den Eindruck vermittelt, dass es ihm um Rache für Proteste gegen Neonazi-Aktion in anderen Städten geht. Da Michael Grewe und Dennis F. – dessen Distanzierung von der rechten Szene unglaubwürdig ist – bereits einschlägig vorbestraft sind, forderte sie Haft nicht unter zwei Jahren.

Der dritte Nebenklageanwalt der Betroffenen forderte wegen Mittäterschaft auch eine Strafe für Stefan V. Er wies auf den paramilitärischen Hintergrund des Angriffs hin, die organisiert ausgeführt worden sei, und fragte weiterhin nach der Rolle des Schweriner NPD-Fraktionsvorsitzenden Udo Pastörs, der die Rechten zum Entfernen von Tatort aufgefordert hatte. Strafmildernde Umstände für die Taten oder eine positive Prognose für die Angeklagten sah der Nebenklagevertreter nicht. Angesichts der rechten Ideologie und der Schwere des Angriffs sind Bewährungsstrafen „indiskutabel“, er forderte für Grewe und F. Freiheitsstrafen von fünf Jahren. Bei Menschen dieser Gesinnung, so hieß es, „ist Hopfen und Malz verloren“.

Auch heute machten sich die anwesenden Neonazis im Gerichtssaal wieder über den Prozess lustig. Unter den Rechten vor allem aus dem Umkreis Rostocks und Ostvorpommern befand sich auch Stefan Köster, Landesvorsitzender und Landtagsmitglied der NPD. Der wegen Körperverletzung vorbestrafte Neonazi, der ebenfalls der Reisegruppe der Rechten angehörte, hatte am 30. Juni 2007 unmittelbar nach dem Gewaltexzess als Redner auf der NPD-Demonstration in Rostock den Tathergang aus Sicht der NPD geschildert und das Märchen von einem Anschlag linker „Terroristen“ verbreitet.

Die Plädoyers der Verteidigung und das Urteil sind für die nächsten beiden Verhandlungstage am 5. und am 16. März geplant.

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Prozessgruppe Pölchow, 01. März 2010

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Anklage auf versuchten Mord? https://systemausfall.org/~poelchow-prozess/?p=91 https://systemausfall.org/~poelchow-prozess/?p=91#comments Mon, 22 Feb 2010 17:13:47 +0000 admin https://systemausfall.org/~poelchow-prozess/?p=91 Bericht vom sechsten Prozesstag am 22. Februar 2010 in der Verhandlung um den Neonazi-Überfall in Pölchow 2007

Mit dem Abschluss der Beweisaufnahme wurde heute der Prozess um den Überfall von Neonazis auf eine Gruppe alternativer Jugendlicher im Sommer 2007 in Pölchow fortgesetzt. Der Angeklagte Dennis F. ließ eine Einlassung verlesen, Videoaufnahmen der Polizei wurden gezeigt und das Vorstrafenregister der Angeklagten vorgetragen.

In seiner abenteuerlichen Einlassung zum Ende des Prozesses, zu dem keine Beweisanträge mehr zu erwarten waren und nachdem er bereits alle Vorwürfe gegen sich gehört hat, stellte der Angeklagte Dennis F. aus Göttingen seine Version der Ereignisse vor. Am 30. Juni sei er mit einem Freund auf dem Weg zur NPD-Demo in Rostock gewesen und in Güstrow mit der Gruppe der mehr als 100 Rechten in den Zug gestiegen. Bereits dort will F. Linke erkannt haben, die ihn und seine Kameraden ausspioniert und dabei telefoniert hätten. In Schwaan seien dann „Linksextremisten“ zum Zug und in den Waggon geeilt, in dem sich eine einzelne kleine Gruppe von Rechten befunden habe. Um diese zu schützen, wollte F. zu diesen laufen, doch die Tür zwischen den Abteilen war versperrt. Deshalb sei er beim Halt in Pölchow aus dem Zug gesprungen, habe einen der Rechten aus dem benachbarten Waggon herausstürzen sehen und sei über den Bahnsteig zum benachbarten Waggon gehastet. Auf der Suche nach einer offenen Tür habe er Steinen ausweichen müssen, die aus dem Inneren des Waggons durch die Scheiben geflogen sein sollen.

Angeklagter inszeniert sich als Retter

Als einer der ersten sei F. mit „lauten Gebärden“ in den Zug gestürmt. Im Inneren hätten ihm „kampfbereite Linke“ den Weg versperrt, die – wie eine Wand und in Reihen gestaffelt– zum Schutz Frauen nach vorne gestellt hätten. Aus der zweiten Reihe sei ihm Pfefferspray in die Augen gesprüht worden. Trotzdem habe er bei seinem Vorstoß in den Waggon nicht nur genau Rucksäcke voller Steine erkennen können. Auch an einen der Nebenkläger, der ihn zudem geschlagen hätte, könne er sich erinnern. Nichtsdestotrotz habe er diesen überwältigen können und, als die Gefahr gebannt gewesen sei, den Waggon verlassen. Draußen habe ihm Michael Grewe für seinen Einsatz gedankt und Udo Pastörs sei sichtlich erleichtert gewesen, dass „Schlimmeres“ verhindert werden konnte. Der Vorsitzende der NPD-Landtagsfraktion habe dann auch vorgeschlagen, dass F. sich mit anderen Rechten nach Schwaan begebe, um dort Autos zu holen und mit diesen nach Rostock zu fahren. Bereits Michael Grewe hatte in seiner Einlassung am ersten Prozesstag behauptet, dass Pastörs sie aufgefordert hatte, zu Fuß ins fast 13 Kilometer und damit mehr als zwei Stunden entfernte Schwaan zu gehen. Von dort aus sollten sie dann weitere 20 Kilometer nach Güstrow fahren, um abgestellte Autos zu holen und mit diesen wiederrum die Rechten aus Pölchow schnellstmöglich zur Demonstration nach Rostock bringen. Auf diesem Weg, so auch F., seien sie dann von der Polizei aufgegriffen worden. Abschließend betonte F., dass ihm die Ermittlungen gegen ihn ein Rätsel seien. Aufgrund angeblicher Widersprüche in den Aussagen der Betroffenen forderte er für sich einen Freispruch ein. Fragen zu seiner Einlassung ließ er nicht zu.

Einer der Nebenklageanwälte stellte den Antrag, die Anklage gegen Michael Grewe, Dennis F. und vermutlich auch Stefan V. auf den Vorwurf des versuchten Mords auszudehnen. Nach Zeugenaussagen wurde sein Mandant verprügelt und mit Tritten misshandelt, als er schon bewusstlos am Boden lag. Wären die Angreifer nicht abgelenkt worden, so ein Betroffener, hätten sie ihn totgeschlagen. Die Rechten hatten geplant, gemeinschaftlich und aus niederen Beweggründen gehandelt, da sie ihre Opfer nur aufgrund von deren politischer Einstellung angegriffen hätten.

Polizeiaufnahmen dokumentieren Spuren der Gewalt

Im weiteren Prozessverlauf wurden Aufnahmen abgespielt, die den Einsatz der Polizei in Pölchow dokumentierten. Sie zeigten, wie die Beamten eine der Gruppen von Neonazis abseits des Tatorts stellten und sie kurz ihre Namen nennen ließen. Zugleich wurden der Zustand im Zug, eingeworfene Fensterscheiben, eine zerborstene Tür, Haarbüschel und Blutspuren, festgestellt. Im Gegensatz zu den Neonazis wurden die Opfer des Angriffs sehr intensiv von der Polizei untersucht, ihre Personalausweise und auch sie selbst wurden einzeln und detailliert gefilmt. Dabei wurde nicht nur deutlich, dass sie nicht einheitlich in schwarz gekleidet waren und auch keine Rucksäcke voller Waffen und Steine bei sich trugen. Zugleich waren ihre zahlreichen Verletzungen – unter anderem Prellungen, Schürfwunden, aufgeplatzte Lippen, verbundene Wunden – zu erkennen.

In der folgenden Aussprache betonte die Staatsanwältin, dass nun deutlich sei, dass die Fenster des Waggons von außen eingeworfen wurden, und sich eine weitere Auseinandersetzung darüber erübrigt. Einer der Nebenklageanwälte wies auf die Heterogenität der Betroffenen und ihre vielfarbige Kleidung hin. Thomas Penneke, Verteidiger von Michael Grewe, glaubte dagegen, eines der Opfer in „Kampfuniform“ ausmachen zu können. Über die Anfrage des Verteidigers von Dennis F., Sven Rathjens, eine Kopie des Films zu bekommen, traf das Gericht noch keine Entscheidung.

Angeklagte bei Polizei und Justiz einschlägig bekannt

Die Verlesung des Vorstrafenregisters offenbarte, dass die drei Angeklagten nicht wenige Erfahrungen mit Polizei und Justiz gemacht haben. So trug Michael Grewe etwa Tätowierungen mit verbotener Nazi-Symbolik auf einer Demonstration zur Schau und wurde wegen des Schmuggels einer Maschinenpistole, eines Revolvers und Munition und damit des Verstoßes unter anderem gegen das Kriegswaffenkontrollgesetz zu einer Bewährungsstrafe verurteilt. Stefan V. ist etwa mit fahrlässiger Körperverletzung, Sachbeschädigungen und Diebstählen aufgefallen, Dennis F. mit Körperverletzungen, Waffenbesitz, Sachbeschädigung, Beleidigung und der Verwendung von Nazi-Kennzeichen. Die Bewährungshelferin von Dennis F. ließ die zweifelhafte Einschätzung mitteilen, dass der Angeklagte – der beständig freundlich die Neonazis im Publikum grüßt, in den Verhandlungspausen engen Kontakt zu ihnen hält und dem Prozess mit einem steten breiten Grinsen und seiner hanebüchenen Einlassung begegnet – sich von der rechten Szene zu distanzieren scheine.

Auch heute fielen die anwesenden Neonazis im Saal wieder durch Pöbeleien und höhnische Bemerkungen gegen die Betroffenen des Angriffs auf und machten sich über deren Verletzungen lustig. Unter ihnen waren etwa Lutz Giesen oder David Petereit, der bereits eine fragwürdige Rolle im Prozess gespielt hatte.

Die abschließenden Plädoyers wurden heute nicht mehr gehalten, sondern werden in den nächsten drei Verhandlungstagen erwartet, abschließend wird das Urteil gesprochen. Diese sind für den 1. März ab 13 Uhr, den 5. und den 16. März geplant.

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Prozessgruppe Pölchow, 22. Februar 2010

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Nebenklageanwalt: Staatsanwaltschaft „auf dem rechten Auge blind“ https://systemausfall.org/~poelchow-prozess/?p=81 https://systemausfall.org/~poelchow-prozess/?p=81#comments Tue, 16 Feb 2010 12:56:10 +0000 admin https://systemausfall.org/~poelchow-prozess/?p=81 Bericht vom fünften Prozesstag am 16. Februar 2010 in der Verhandlung um den Neonazi-Überfall in Pölchow 2007

Einen Antrag auf Auswechslung der Staatsanwältin Tanja Bierfreund stellte am heutigen fünften Verhandlungstag einer der Nebenklageanwalte, der einen der Betroffenen des Neonazi-Überfalls auf eine Gruppe nicht-rechter Jugendlicher im Sommer 2007 in Pölchow vertritt. Weiterhin wurden Anträge der Nebenklage aus der letzten Verhandlung behandelt, eine geplante Einlassung des Angeklagten Dennis F. konnte nicht verlesen und ein Video von der Situation nach dem Überfall nicht gezeigt werden.

In seiner Kritik an der Staatsanwältin formulierte einer der Anwälte der Nebenklage, dass sie als Vertreterin der Anklage gegen die drei Tatverdächtigen – den NPD-Mitarbeiter Michael Grewe und die Rechten Dennis F. und Stefan V. – bisher kein Interesse an der Wahrheitsfindung gezeigt habe. Im Prozess habe sie bisher nur zweimal das Wort ergriffen und sich dabei auf Gesichtspunkte bezogen, die die Angeklagten entlasten würden. Damit setze sich die Schlamperei von Polizei und Staatsanwaltschaft, von der die Ermittlungen nach dem rechten Überfall bisher gekennzeichnet gewesen seien, nun auch im Gerichtssaal fort. Es scheine, so hieß es weiter, als sei die Staatsanwaltschaft “auf dem rechten Auge blind”. Die “Befangenheit” zeige sich außerdem darin, dass Staatsanwältin und Verteidiger dabei gesehen worden seien, wie sie gemeinsam Räume betreten haben, die nur für Mitarbeiter zugänglich seien. Über den Antrag wurde bisher noch keine Entscheidung getroffen.

Die angekündigte Einlassung des Angeklagten Dennis F., der sich bisher nicht zu den Vorwürfen geäußert hatte und von mehreren Betroffenen belastet worden ist, konnte heute nicht verlesen werden. Sein Anwalt hatte aus persönlichen Gründen wenig Zeit.

Neben der Verlesung einer Reihe von ärztlichen Attesten, die einmal mehr die Verletzungen einiger Betroffener wiedergaben, wurden heute mehrere Anträge der Nebenklage abgelehnt. Eine Reihe weiterer Zeugen sollte vorgeladen werden, um die Glaubwürdigkeit des Lokführers festzustellen, der im Prozess – im Unterschied zu vorhergegangenen Aussagen – die Gruppe der Angegriffenen als vermummt beschrieben hatte und dessen Interaktion mit der NPD fragwürdig scheint. Dies sah der Richter als unnötig an, da er den Lokführer für glaubwürdig erachtet. Die Vorladung von Sachverständigen, die feststellen sollten, dass die Scheiben des Zuges nicht von innen und damit von den Betroffenen zerstört worden sind, lehnte er ab, da dies irrelevant für die Vorwürfe gegenüber den drei Angeklagten sei.

Zudem wurde ein Antrag über Filmmaterial abgelehnt, das von einem der Neonazis beschlagnahmt worden war. Mehrere Zeugen hatten berichtet, dass die Rechten ihre Gewalt gefilmt hatten. Die sichergestellten Digitalaufnahmen jedoch zeigten nur private Bilder oder waren leer. Das Vorhaben, die leeren und möglicherweise unmittelbar nach der Tat gelöschten Bänder wiederherzustellen, lehnte der Richter als spekulativ ab. Andere für heute eingeplante Filmaufnahmen, die die Situation kurz nach dem Angriff zeigten, konnten trotz der langen Vorbereitungszeit nicht rechtzeitig von der Polizei herangeschafft werden.

Nach der Ankündigung der Anwälte der Angeklagten, keine Beweisanträge zu stellen, forderte der Richter zum nächsten Prozesstag am 22. Februar zur Vorbereitung der Abschlussplädoyers auf. Daraufhin machte sich Irritation breit, da vorher zumindest noch die Einlassung des Angeklagten Dennis F. gehört werden sollte.

Der Prozess wird am 22. Februar um 9.30 Uhr fortgesetzt.

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Prozessgruppe Pölchow, 16. Februar 2010

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Weitere Beweisanträge im Prozess um Neonazi-Überfall https://systemausfall.org/~poelchow-prozess/?p=71 https://systemausfall.org/~poelchow-prozess/?p=71#comments Thu, 04 Feb 2010 21:34:59 +0000 admin https://systemausfall.org/~poelchow-prozess/?p=71 Bericht vom vierten Prozesstag am 04. Februar 2010 in den Verhandlungen um den Neonazi-Überfall in Pölchow 2007

Begleitet von Störungen durch Neonazis hat heute vor dem Landgericht Rostock der vierte Prozesstag in der Verhandlung des rechten Überfalls in Pölchow im Juni 2007 stattgefunden. Während drei Polizeibeamte und ein Betroffener ihre Erinnerungen an die Ereignisse wiedergaben, fielen die anwesenden Neonazis, darunter einige NPD-Funktionäre, durch Pöbeleien, Zwischenrufe und Rempeleien auf. Einer musste wegen der Zurschaustellung neonazistischer Symbolik den Saal verlassen.

Die drei geladenen Polizisten gehörten zu den Beamten, die am Bahnhof von Pölchow eine halbe Stunde nach dem Überfall aus der Gruppe der mehr als 100 Neonazis auf die nicht-rechten Jugendlichen eintrafen. Obgleich sie sich angesichts der langen Zeit an Details oft nicht mehr erinnern konnten, schilderten sie ihre Aufgabe gegenüber den Rechten und den angegriffenen Betroffenen. Eine Gruppe von Polizisten stellte nach einem Hinweis von Zivilbeamten etwa zehn Personen, die sich weit abseits des Geschehens aufhielten – weil sie, wie sie mitgeteilt hätten, mit der Schlägerei nichts zu tun haben wollten. Weitere Fragen stellten die Beamten dieser Gruppe, in der sich auch der Angeklagte Dennis F. befand und die keine Verletzungen oder Beeinträchtigungen aufwies, nicht. An eine Durchsuchung konnte sich der Zeuge nicht erinnern.

Ein anderer Polizist nahm die Personalien der nicht-rechten Jugendlichen auf, von denen einige verletzt waren. An Waffen, Vermummung oder auffällige, einheitliche Kleidung – wie es von der Neonazi-Szene behauptet wird – erinnerte er sich dabei nicht. Die Beamten berichteten auch über Blutspuren im Zug und herausgerissene Haarbüschel.

Im Gegensatz zu den nicht-rechten Betroffenen des Angriffs, die ausführlich mit ihren Personalausweisen gefilmt wurden, beschränkte sich die Polizei bei den Neonazis auf Aufnahmen der Gesichter. Da einige von ihnen keine Ausweise hätten vorweisen können, so hieß es, habe man nicht darauf bestanden.

Betroffener: Angeklagter hat Gewalt genossen

Abschließend wurde ein weiterer Betroffener des Neonazi-Überfalls gehört. Er schilderte eine relativ ruhige Bahnfahrt, die in Pölchow jäh durch das Einwerfen der Scheiben und die in den Waggon eindringenden Neonazis unterbrochen wurde. Sie schlugen auf Teilnehmer seiner Reisegruppe ein und traten auch noch die bereits auf dem Boden Liegenden. Er selber hatte nach Schlägen Verletzungen im Gesicht und infolge eines Trittes Schmerzen an der Niere. Zwar konnte er unter den drei Angeklagten niemanden als Schläger identifizieren. An Michael Grewe, der kommandiert und die Opfer angeschrien hatte, erinnerte er sich jedoch. Dieser, gab er seine Eindrücke wieder, hatte die Situation genossen, sich augenscheinlich sehr wohl gefühlt und beständig gegrinst.

Im Verlauf der heutigen Verhandlung stellten die Anwälte der Nebenklage mehrere Beweisanträge. So sollen ein weiterer Polizeibeamter und ein Sachverständiger vorgeladen werden, um zu klären, dass die Scheiben des Zuges von den angreifenden Neonazis und nicht aus dem Waggoninneren von den Betroffenen zerstört wurden. Um weiterhin deutlich herauszustellen, dass die Gruppe der alternativen Jugendlichen nicht vermummt und aggressiv den Zug bestieg, soll ein Bahnangestellter angehört werden. Ein anderer Polizist soll außerdem zur Glaubwürdigkeit des am zweiten Verhandlungstag angehörten Zugfahrers sprechen, der in ersten Vernehmungen noch ganz andere Aussagen über die angegriffenen Jugendlichen gemacht hatte und sie vor Gericht als einheitlich und schwarz gekleidet dargestellt hatte. Auch eine weitere Betroffene des Überfalls soll geladen werden.

Über die Zulassung der Anträge entscheidet das Gericht am nächsten Verhandlungstag. Für diesen hat der Angeklagte Dennis F. zudem eine Einlassung angekündigt, möglicherweise wird auch von einem Neonazi beschlagnahmtes Videomaterial gesichtet. Als weitere Prozesstermine wurden der 16. und 22. Februar sowie der 1. März festgelegt.

Noch mehr als bei den letzten Verhandlungstagen fielen heute die anwesenden Neonazis durch Pöbeleien, Zwischenrufe und Rempeleien auf. Einer von ihnen musste den Saal verlassen, nachdem das Gericht ihn auf sein T-Shirt mit dem Schriftzug der rechts-terroristischen Gruppierung „Combat 18“ (Code für: „Kampfgruppe Adolf Hitler“) angesprochen hatte. Andere verhöhnten den Betroffenen des Angriffs im Zeugenstand. Die wiederholten Hinweise des Richters, dass Beteiligte an den Ereignissen in Pölchow dem Prozess nicht zuschauen sollen, da sie noch als Zeugen geladen werden könnten, missachteten die Neonazis – dabei stammten einige von ihnen aus Vorpommern und Westmecklenburg, von wo auch die Rechten damals anreisten. So waren heute etwa die NPD-Mitarbeiter und -Aktivisten Michael Gielnik, Franziska Vorpahl oder Mathias Krebs anwesend.

Der Prozess wird am 16. Februar um 9.30 Uhr fortgesetzt.

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Prozessgruppe Pölchow, 04. Februar 2010

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Vermeintliche Entlastungszeugen stellen Neonazi-Szene und Verteidiger bloß https://systemausfall.org/~poelchow-prozess/?p=57 https://systemausfall.org/~poelchow-prozess/?p=57#comments Sat, 30 Jan 2010 02:33:04 +0000 admin https://systemausfall.org/~poelchow-prozess/?p=57 Bericht vom dritten Prozesstag am 29. Januar 2010 in den Verhandlungen um den Neonazi-Überfall in Pölchow 2007

Einen überraschenden Verlauf nahm der heutige dritte Verhandlungstag im Prozess um den Neonazi-Angriff auf eine Gruppe von nicht-rechten Jugendlichen im Juni 2007 in Pölchow gegen drei Angeklagte, unter anderem den NPD-Mitarbeiter Michael Grewe. So wurde nicht nur offenbar, dass einer der Verteidiger sich im Vorfeld mit zwei Zeugen aus der rechten Szene getroffen hat. Auch kam heraus, dass der bekannte Neonazi-Funktionär und NPD-Mitarbeiter David Petereit mindestens einen der Zeugen in der Anklageschrift lesen ließ, die Teil der Ermittlungsakten ist. Außerdem schilderten auch heute wieder mehrere Betroffene den brutalen Angriff der Neonazis aus der Reisegruppe von mehr als 100 Rechten.

Die beiden Zeugen Stefan W. und Siegfried H. wurden von der Verteidigung geladen. Sie hatten bisher keine Aussagen bei der Polizei gemacht, sie als nicht wichtig erachtet, wie W. meinte. Zusammen mit Karl J., der beim letzten Verhandlungstag aussagte, und anderen Rechten sollen die beiden auf dem Weg zur NPD-Demo gewesen sein und sich im Waggon der nicht-rechten Jugendlichen aufgehalten haben. In den Texten der Neonazi-Szene und der NPD und der Einlassung Grewes am ersten Verhandlungstag ist von dieser Gruppe von Rechten die Rede, die von den „Linksextremisten“ attackiert worden sein sollen. Daraufhin hätten die Neonazis aus dem anderen Waggon „Nothilfe“ geleistet, was ihnen nun als Angriff angelastet werden würde.

Unmissverständlich machten die beiden Zeugen klar, dass sie sich der rechten Szene zurechnen. Aus Teterow kommend seien sie in Güstrow in den Zug nach Rostock gestiegen, der sie zur NPD-Demonstration bringen sollte. Stefan W. aus Gnoien gab an, dass sie nach dem Einstieg der nicht-rechten Jugendlichen in Schwaan von diesen aufgefordert worden seien, den Waggon zu verlassen; dann würde ihnen nichts passieren. Einer aus ihrer Gruppe sei jedoch am Kragen gepackt und seine Jacke der rechten Modemarke „Thor Steinar“ beschädigt, ein anderer angespuckt worden. W. erwähnte dabei mehrmals den mit ihm befreundeten Karl J., der mit CS-Gas angegriffen worden sei. J. allerdings sagte beim zweiten Verhandlungstag aus, dass er bis auf eine andere Person niemanden aus der Gruppe gekannt haben will, selber nicht verletzt worden sei und niemanden benennen könne, der bei dem vermeintlichen „antifaschistischen“ Angriff angegangen worden sei.

Nach dem Ausstieg aus dem Waggon in Pölchow, so W., habe er auf dem Bahnsteig Michael Grewe getroffen, der sich nach im Zug verbliebenen Rechten erkundigt und anschließend auf der Suche nach ihnen die Bahn betreten hätte. Dabei hätten ihn die „Linken“ angegriffen und aus dem Zug mit Steinen gegen die Fenster geworfen, obgleich er selbst keine fliegenden Steine gesehen hätte. Auch vom folgenden Geschehen will W. nichts mehr mitbekommen haben, als er sich wartend die Zeit auf dem Bahnsteig vertrieb.

Akteneinsicht für die Entlastungszeugen?

Zum Prozess gekommen, äußerte W. plötzlich in der folgenden Befragung, sei er durch den NPD-Mitarbeiter David Petereit. Der habe auch ein Treffen am vorherigen Freitag mit Sven Rathjens vermittelt, dem Anwalt des Angeklagten Dennis F., der ihn und H. zusammen über die Ereignisse in Pölchow befragt haben soll. Durch Petereit habe er auch in der Anklageschrift gegen Michael Grewe lesen können, die Teil der Ermittlungsakten ist, und wisse, worum es im Verfahren geht.

In die Unruhe hinein, die ob dieser Aussagen entstand – schließlich sollen Absprachen von Angeklagten und Zeugen vor Gericht vermieden werden –, bestätigte Rathjens das Gespräch mit den beiden Rechten. Absprachen will er dabei nicht getroffen haben.

Nach Pausen und der Befragung eines Betroffenen kam Siegfried H. aus Rostock zu Wort, der aus Teterow stammt und in der rechten Gruppe mit Stefan W. und Karl J. gewesen sein soll. Auch er kam nicht umhin, das Treffen mit dem Anwalt zu bestätigen. Ansonsten gab auch er an, dass seine Gruppe zum Verlassen des Waggons aufgefordert sein soll. Einer seiner Bekannten habe dabei einen Schlag auf den Hinterkopf bekommen, die Kleidung eines anderen sei beschädigt worden. Als sie in Pölchow ausgestiegen seien, habe Michael Grewe sie draußen schon angesprochen. Sie wären dann etwas zur Seite gegangen und hätten von den anschließenden Ereignissen nichts bemerkt.

In Details widersprachen sich die bisher gehörten Zeugen aus dieser Gruppe, obgleich sie eine Version der Ereignisse schilderten, die ziemlich kompatibel war mit der Einlassung Michael Grewes vom ersten Prozesstag. Jener Michael Grewe, der wie auch der von den beiden Zeugen benannte David Petereit Mitarbeiter und Landesvorstandsmitglied der NPD ist.

Weniger überraschend war, dass die Verteidigung von Grewe neben dem NPD-Landtagsabgeordneten Michael Andrejewski nun auch Thomas Penneke umfasst. Der Rostocker Anwalt ist in den letzten Jahren zunehmend als Anwalt der rechten Szene aufgefallen, der Neonazi-Kader vor Gericht vertritt. Mit Rathjens sitzt er in einer Kanzlei und trat auch schon als Anwalt von David Petereit auf.

„Es war ein einseitiger Angriff“

Neben den rechten Zeugen kamen heute weitere drei Betroffene aus der nicht-rechten Jugendgruppe zu Wort. Einer von ihnen berichtete, wie er unter Rufen wie „Jetzt seid ihr dran!“ von den Neonazis misshandelt wurde und sie die Jugendlichen an den Haaren aus dem Zug zerrten, so dass sogar Haarbüschel herausgerissen wurden. Alle waren wie besessen, erinnerte er sich. Anschließend haben einige sich umgezogen, bevor sie unter Zurufen in den nahen Wald flüchteten.

Wie er wies auch eine andere Betroffene auf die Rolle Grewes bei dem Überfall hin, der den Neonazis Kommandos gegeben hatte. Sie erinnerte sich an einen jungen Mann, der reglos auf dem Boden lag und auf den die Angreifer immer wieder eintraten. Eine Frau, die vor ihr stand und die zu beschwichtigen versuchte, brach nach einem heftigen Tritt in den Bauch zusammen. Die Zeugin konnte aus dem Zug fliehen, war aber panisch und hyperventilierte. Wir kamen uns hilflos vor, schilderte sie ihre Eindrücke, da wir uns dem Willen dieser Gruppe ausgesetzt sahen. Sie betonte auf Nachfragen, dass es keine Auseinandersetzung, sondern ein einseitiger Angriff war.

Zugleich erinnerte sie sich an die kleine Gruppe der Rechten auf einer anderen Ebene ihres Abteils, die den Waggon in Ruhe verlassen hätte. Ein dritter Zeuge wusste mehr über die Situation zu erzählen: Die Gruppe ist aufgefordert worden, zu gehen, um Konflikte zu vermeiden. Ihre Kleidung und Symbolik, die rechte Propaganda wiedergibt, sei als Provokation zu werten. Gewalt oder Pfefferspray hat er nicht wahrgenommen, stattdessen erinnerte ihn die unspektakuläre Aktion an einen Videospot über Zivilcourage.

Der Betroffene schilderte eindrücklich die Gewalt der Neonazis und hatte auch Grewe beim wiederholten Zuschlagen beobachtet. Ein junger Mann, erzählte er, war auf dem Bahnsteig andauernd am Boden liegend getreten worden. Als ein Kind zu weinen begann, konnte er ihn wegzerren; die Ablenkung, vermutete er, hat ihm angesichts der hemmungslosen Gewalt das Leben gerettet. Waren sie einmal aus dem Zug gezerrt, wurden die Betroffenen auf dem Bahnsteig weiter misshandelt und an Armen und Beinen über einen nahen Zaun geworfen.

Alle der drei gehörten Betroffenen gaben wieder, wie unkoordiniert die Polizei vor Ort reagiert hat. Angesichts der Eindrücke vor Ort, meinte einer, hätte den Beamten die Situation ziemlich klar sein müssen. Stattdessen jedoch hatte sie nicht so gewirkt, erzählte ein anderer, als ob sie nach Tatverdächtigen suchen würde. Auch im Nachhinein schienen die Ermittlungen eher halbherzig: Fotos von den Tatverdächtigen, die den Zeugen vorgelegt worden waren, waren häufig unbrauchbar und nicht gerichtsverwertbar.

Staatsanwältin lehnt Untersuchung von Videoaufnahmen ab – Neonazis verursachen Tumult im Gerichtssaal

In ihren Schilderungen erinnerten sie wiederholt an Filmaufnahmen und Fotos, die Neonazis von dem Angriff gemacht hatten, insbesondere wurde wiederholt eine Kamera mit Stabstativ angesprochen. Die Polizei hatte es damals unterlassen, Kameras und Handys zu beschlagnahmen – bis auf drei Bänder mit Digital-Aufnahmen, wie heute herauskam, die leer oder mit unverfänglichem Material bespielt sein sollen. Die Nebenklage beantragte, diese genauer zu überprüfen und gelöschte Daten wiederherzustellen, um genaueren Einblick in die Ereignisse in Pölchow über das Tatgeschehen zu bekommen. Angesichts der Schwere dieser Tat, so ein Anwalt der Nebenklage, sollte man zu ihrer Aufklärung nichts unversucht lassen. Doch trotz der Vielzahl von Berichten von Betroffenen über Aufnahmen der Neonazis lehnte die Staatsanwältin dieses Ansinnen heute als „unnötig“ ab.

Auch heute wieder beobachtete eine Gruppe aus Neonazi-Aktivisten aus dem NPD-Umfeld aus Rostock sowie Westmecklenburg und Vorpommern den Prozess. Unter ihnen waren auch der NPD-Landtagsabgeordnete Tino Müller und sein Bruder Marco, die damals in der Gruppe der zugreisenden Rechten waren. Der Aufforderung des Richters, dass alle daran Beteiligten den Saal verlassen sollten – schließlich könnten sie noch als Zeugen vorgeladen werden – leisteten sie jedoch keine Folge und blieben unauffällig. Stattdessen machten andere Neonazis auf sich aufmerksam und versuchten, Freundinnen und Freunde der Betroffenen anzugehen, so dass schließlich sogar die anwesende Polizei einschreiten musste.

Der Prozess wird am 04. Februar um 11.30 Uhr fortgesetzt.

Weitere Informationen zu den Ereignisse in Pölchow ausführlich unter:

http://www.poelchow-prozess.info

Prozessgruppe Pölchow, 29. Januar 2010

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Dennis F. und Michael Grewe der Rädelsführerschaft belastet https://systemausfall.org/~poelchow-prozess/?p=46 https://systemausfall.org/~poelchow-prozess/?p=46#comments Tue, 26 Jan 2010 00:51:45 +0000 admin https://systemausfall.org/~poelchow-prozess/?p=46 Bericht vom zweiten Prozesstag am 25. Januar 2010 in den Verhandlungen um den Neonazi-Überfall in Pölchow 2007

Im Prozess um den Überfall von Neonazis auf eine Gruppe nicht-rechter Jugendlicher im Sommer 2007 in Pölchow fand heute der zweite Verhandlungstag vor dem Landgericht Rostock statt. Nachdem in der vergangenen Woche der angeklagte Neonazi Michael Grewe über seinen Anwalt eine Einlassung verlesen ließ und drei der Betroffenen, die als Nebenkläger auftreten, befragt wurden, wurden heute weitere Zeugen gehört.

Neben einem der betroffenen Nebenkläger, der seine Schilderungen vom letzten Mal fortsetzte, wurden vier weitere Jugendliche aus der Gruppe der Angegriffenen als Zeugen angehört. Ihre Aussagen machten ein weiteres Mal die Brutalität der Neonazis und die Beklemmung und Panik der Betroffenen deutlich, die der Gewalt schutzlos ausgeliefert waren. Sie schilderten, wie sie in Schwaan in den Zug Richtung Rostock einstiegen, um an den Protesten gegen den NPD-Aufmarsch teilzunehmen. Unruhe machte sich breit, als die Ersten aus der Gruppe die mitreisenden Neonazis wahrnahmen; sie steigerte sich in Panik, als die Rechten unter Drohungen versuchten, in den Waggon einzudringen. Beim Halt in Pölchow schließlich öffneten sie die Außentüren und betraten „Schulter an Schulter“, wie ein Zeuge sich erinnerte, in den Zug – an der Spitze Michael Grewe. Zusammen mit den anderen Rechten schlug er auf die Betroffenen ein, fiel aber zugleich durch Kommandos an die anderen Neonazis und Drohungen gegenüber den Opfern auf. „Hier kommt ihr nicht mehr raus!“, erinnerte sich ein Zeuge, schallte es aus der Gruppe. Scheiben barsten, die Angreifer versperrten unter hämischen Bemerkungen den Flüchtenden den Weg aus dem Zug. Gezielt wurde ihr Waggon nach Opfern durchsucht.

Weitere Zeugen gehört

Ein Betroffener berichtete, wie er noch versucht hatte, eine Zwischentür aus Glas zuzuhalten. Sie wurde jedoch von den Neonazis zerschlagen und er in den Mob der Angreifenden gezogen, wobei er sich eine fünf Zentimeter tiefe Schnittwunden zuzog. Ein anderer Zeuge erinnerte sich, wie einer Frau „mit voller Wucht“ in den Bauch getreten wurde. Einzeln, so einer der Jugendlichen, zogen die Rechten ihre Opfer auch an den Haaren aus der Gruppe der Angegriffenen, schlugen auf sie ein und warfen sie dann aus dem Zug. Auf dem Bahnsteig scharrten sich wiederum Rechte in Trauben um die Betroffenen und prügelten auf sie ein. Die Betroffenen erzählten, dass sie sich lange nach dem Angriff noch in ärztliche und auch psychologische Behandlung begeben mussten.

Mehrere Zeugen betonten erneut die besondere Rolle von Michael Grewe, der als einer der Anführer und Initiator der Gewalt aufgefallen war. So berichtete einer der Betroffenen, wie Grewe eine Gruppe von Jugendlichen aufforderte, den Zug zu verlassen. Auf ihre Frage, ob ihnen dann nichts passiere, antwortete er, dass er das nicht versprechen könne. Während der ganzen Zeit hatte er das hämische Grinsen im Gesicht, das er auch im Prozess zur Schau trägt.

Zugleich wurde am heutigen Verhandlungstag der Angeklagte Dennis F. von zwei Zeugen belastet. Er hat, so hieß es, Anweisungen gegeben, die späteren Opfer des rechten Übergriffs im Zug von anderen Fahrgästen getrennt und selbst auf sie eingeschlagen.

Das fragwürdige Verhalten der Polizei am Ort des Geschehens wurde einmal mehr von Betroffenen geschildert. Unmittelbar nach deren Eintreffen haben sie den Beamten die Situation geschildert und sogar auf Täter wie Michael Grewe hingewiesen. Anstatt jedoch auf die Berichte einzugehen, wurden die Opfer des Überfalls erkennungsdienstlich behandelt, als ob sie selbst Angreifer gewesen seien.

Neben den Betroffenen wurden auch mehrere andere Personen aus dem Zug gehört. Ein junger Mann berichtete, wie „gruselig“ die in Güstrow einsteigende Gruppe der Rechten auf ihn gewirkt hat. Er erinnerte sich an Grewe, das Erlebnis der Auseinandersetzungen und daran, dass die Neonazis auch andere Fahrgäste angepöbelt hatten.

Der Lokführer berichtete, wie er der Notbremsung nachgegangen war und dabei die Auseinandersetzungen erlebt hatte. Während er seiner Dienststelle von den Ereignisssen berichtete, hätte ihn Udo Pastörs angesprochen und sich als Landtagsabgeordneter vorgestellt. Er hätte ihn aufgefordert, unverzüglich nach Rostock weiterzufahren, da er sonst für die Sicherheit nicht garantieren könne – noch bevor die Polizei eingetroffen war.

Pastörs drängte zur Weiterfahrt

Pastörs, der in der Einlassung von Michael Grewe am ersten Prozesstag diesen bereits aufgefordert haben soll, sich vom Tatort zu entfernen, spielte auch in der Aussage einer weiteren Zeugin eine fragwürdige Rolle. Nadine B. gab an, auf dem Weg nach Rostock gewesen zu sein und sich im Abteil der nicht-rechten Reisegruppe aufgehalten zu haben. Nach den Ereignissen redete sie noch während der Weiterfahrt nach Rostock mit Udo Pastörs, der ihre Aussagen auch mitgeschrieben haben soll. Die NPD gab wenige Tage nach dem Angriff auf ihrer Website ausführlich Angaben von B. wieder – nach denen „Linke“ sie etwa belästigt und sich auf sie gesetzt hätten – von denen sie heute jedoch in weiten Teilen nichts mehr wissen wollte.

Im Anschluss an das Gespräch mit Pastörs meldete sich B. in Rostock bei Polizeibeamten und machte noch mehrmals Aussagen. Darin und auch in der heutigen Verhandlung widersprach sie sich mehrmals: So will sie beobachtet haben, wie die nicht-rechten Jugendlichen mit Rucksäcken voller Steine den Zug betreten haben, um dann während der Fahrt noch vor dem Halt in Pölchow damit in den Abteilen „hin und her“ zu werfen. Später gab sie an, keine Steinwürfe beobachtet, sondern diese nur geschlussfolgert zu haben. Mal meinte sie, die „Linken“, dann wieder die Neonazis seien an ihrer schwarzen Kleidung zu erkennen gewesen. Obgleich sie in einem anderen Waggon gesessen hat, will sie gesehen haben, wie von Seiten der „Linken“ die Notbremse gezogen worden sei. Angesichts der Vielzahl von Widersprüchen, die sowohl von der Verteidigung als auch den Nebenklägern festgestellt wurden, musste eine Anwältin die Zeugin daran erinnern, dass sie zur Wahrheit verpflichtet ist.

Zum Ende des Tages wurde der Zeuge Karl J. aus Gnoien gehört, der an dem Tage auf dem Weg zur NPD-Demo gewesen ist. Sein Bericht war bisher nirgends aufgetaucht – er hatte im Anschluss an die Ereignisse noch die Aussage verweigert. Nun war er, wie er wiedergab, von einer Person aus der NPD geladen worden. Er erzählte, in der Gruppe von Rechten gewesen zu sein, die sich im Waggon der alternativen Jugendlichen aufhielt und nach einem Streit mit einigen von ihnen das Abteil in Pölchow verlassen habe. Von diesen soll jemand verletzt und anderen die Kleidung beschädigt worden sein; genaue Angaben zu den vermeintlichen Betroffenen konnte er jedoch nicht machen, ihm selber sei nichts passiert. Eine Anzeige ist durch ihn nicht erfolgt.

Der Prozess wird am 29. Januar fortgesetzt.

Weitere Informationen zu den Ereignisse in Pölchow in einer Übersicht unter:

http://www.poelchow-prozess.info

Prozessgruppe Pölchow, 25. Januar 2010

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Gewaltexzess als “Nothilfe” https://systemausfall.org/~poelchow-prozess/?p=28 https://systemausfall.org/~poelchow-prozess/?p=28#comments Wed, 20 Jan 2010 23:40:50 +0000 admin https://systemausfall.org/~poelchow-prozess/?p=28 Bericht vom ersten Prozesstag am 20. Januar 2010 in den Verhandlungen um den Neonazi-Überfall in Pölchow 2007

Vor dem Landgericht Rostock hat heute der Prozess wegen des Neonazi-Überfalls in Pölchow im Juni 2007 begonnen. Eine Gruppe von etwa 60 nicht-rechten Jugendlichen, die an Protesten gegen eine NPD-Demonstration in Rostock teilnehmen wollten, war am Bahnsteig des Ortes aus einer Gruppe von mehr als 100 Neonazis überfallen worden. Brutal traten und schlugen sie mit Fäusten, Flaschen und Zaunlatten auf ihre Opfer ein, zerrten sie an ihren Haaren aus dem Zug und warfen sie eine Böschung hinunter.

Aus der Gruppe der Angreifer sind nunmehr drei Rechte angeklagt: Dennis F. (Jahrgang 1984), Stefan V. (Jahrgang 1985) und Michael Grewe (Jahrgang 1968). Alle drei sind als Neonazis bekannt und schon seit Jahren oder, wie im Fall des Mitarbeiters der NPD-Landtagsfraktion Grewe, seit Jahrzehnten in der Szene aktiv. Ihnen wird schwerer Landfriedensbruch und gefährliche Körperverletzung vorgeworfen: Mit Kommandos sollen sie die anderen Angreifer angestachelt, auch selber auf ihre Opfer eingeprügelt und daraufhin den Rückzug organisiert haben.

Drei der Betroffenen treten zugleich als Nebenkläger im Prozess auf, für den vorerst fünf Verhandlungstage eingeplant sind. Als Anwälte der Angeklagten treten für Grewe Michael Andrejewski, NPD-Landtagsabgeordneter, für F. Sven Rathjens aus Rostock und für V. ein Anwalt aus Wismar auf.

Zum Beginn der Verhandlungen äußerten sich die Angeklagten nicht zu den Vorwürfen. Grewe ließ allerdings über seinen Anwalt Andrejewski eine Einlassung verlesen, die am gleichen Tag noch auf der Internetseite der NPD Mecklenburg-Vorpommern veröffentlicht wurde und in der er seine Version der Geschehnisse schildert: So will er fast niemanden aus der Reisegruppe der Rechten – aus dem überschaubaren NPD-Landesverband und der Kameradschaftsszene – gekannt haben. Diese seien gänzlich unkoordiniert aus allen Teilen des Bundeslandes angereist, um dann gemeinsam und zeitgleich nach Rostock zu fahren. Beobachtet hätte er jedoch, wie die Reisegruppe der nicht-rechten Jugendlichen vermummt, Parolen rufend und einen schweren Rucksack tragend in Schwaan eingestiegen seien. Der Rucksack, so implizierte Grewe, sei voller mitgebrachter Backsteine gewesen, mit denen sie später im Zug um sich geworfen hätten. Nach angeblichen Belästigungen von Neonazis durch Linke sei Grewe mit anderen Rechten in deren Abteil eingedrungen und hätte eingeschlossene Kameraden befreien wollen. Sich gegen linke Angriffe zur Wehr setzend, sei er von nachdrängenden Rechten immer weiter in die Gruppe der nicht-rechten Jugendlichen hineingeschoben worden. Sein Handeln bezeichnete er als „Nothilfe“.

Nach der Flucht der vermeintlichen Angreifer, vor dem Eintreffen der Polizei, hätte Grewe selber aufbrechen müssen: Der NPD-Fraktionsvorsitzende Udo Pastörs habe ihm den Auftrag erteilt, von Pölchow zu Fuß nach Schwaan aufzubrechen und von dort aus abgestellte Fahrzeuge in Güstrow zu holen, um eilig mit der rechten Reisegruppe weiter nach Rostock fahren zu können. Bevor er jedoch die mehr als 10 Kilometer nach Schwaan flugs zurücklegen konnte, wurde er von der Polizei aufgehalten. Des Weiteren ließ sich Grewe in der Einlassung längere Zeit über seine Gelfrisur und seine „friedensstiftende Rolle“ im NPD-Ordnungsdienst aus.

„Reißt ihnen die Piercings raus!“

Nach einer längeren Pause wurden die drei Nebenkläger als betroffene Zeugen angehört. Sie schilderten, wie sie vom „Fusion-Festival“ zum Protest gegen die geplante NPD-Demonstration Richtung Rostock aufgebrochen waren. Nach dem Einstieg in die Regionalbahn in Schwaan machte sich angesichts der in dem Nachbarwaggon mitfahrenden Neonazis Panik breit. Bedrohlich und gewaltbereit versuchten diese, zu ihnen vorzudringen, woran sie zunächst durch eine verschlossene Zwischentür gehindert werden konnten.

Beim Halt in Pölchow konnten die Rechten durch die Seitentüren in den Waggon gelangen. Sie zerrten die ersten Personen vom Gang nach draußen und prügelten in den Wagen hinein, andere zerstörten die Scheiben von Tür und Fenster oder filmten das Geschehen. Die Nazis sind reingestürmt, schilderte ein Zeuge, es war „überfallartig“. Gezielt suchten sie sich ihre Opfer unter den alternativen Jugendlichen: „Es wurde gewissermaßen selektiert“, beschrieb ein Zeuge die Situation. „Ihr Schweine, jetzt seid ihr dran!“, war zu hören, oder auch: „Reißt ihnen die Piercings raus!“. Grewe, so ein weiterer Zeuge, hat „eine Art Führungsposition eingenommen in dieser ganzen Szenerie“. Zwei der Betroffenen gaben an, von Grewe geschlagen worden zu sein, der dritte Nebenkläger hatte beobachtet, wie er ein anderes Opfer mehrmals in das Gesicht geschlagen und an den Haaren gezogen hatte. Alle Zeugen belasteten Grewe schwer.

Übereinstimmend berichteten die Betroffenen, dass die Neonazis sie aus dem Zug geprügelt hatten. „Man war ausgeliefert“, erzählte einer, es war ein „traumatisches Erlebnis“. Auf dem Bahnsteig wurde weiter auf sie eingeschlagen, bevor sie über oder auch auf einen Zaun und eine Böschung hinunter geworfen wurden. Die Zeugen konnten daraufhin in eine Kleingartenanlage fliehen, wo Anwohner erste Hilfe leisteten.

Das Verhalten der eintreffenden Polizei beschrieben sie als problematisch. Beamte haben sich nicht um sie gekümmert, sie jedoch erkennungsdienstlich behandelt. Als einer der Betroffenen eine Anzeige stellen und das Geschehen schildern wollte, wurde er abgewiesen: Man hätte, so der Polizist, die notwendigen Formulare nicht vor Ort. Auch im Nachhinein haben sich die Ermittlungsbemühungen der Polizei zweifelhaft dargestellt. Lichtbildvorlagen von Tatverdächtigen etwa, berichtete ein Zeuge, waren von schlechter Qualität. Ebenfalls wurde die viele Zeit angesprochen, die seit dem Angriff im Juni 2007 vergangen ist – nach zweieinhalb Jahren könne man sich an gewisse Dinge nur noch schwer erinnern.

Aggressive Anwälte, höhnende Neonazis

Die Verteidiger der angeklagten Rechten versuchten auf dieser Basis durch detailliierte Fragen die Zeugen in Widersprüche zu verwickeln. Zugleich wollten sie mit augenscheinlichen Unterstellungen eine Nähe der Betroffenen zum Linksextremismus und zur Gewaltbereitschaft herbeireden. So versuchten sie zivilgesellschaftliches Engagement gegen Neonazismus mit Straftaten in Verbindung zu bringen. Alle Betroffenen wurden von den Verteidigern nach Rucksäcken voller Steine ausgefragt. Im Aufgreifen dieser Behauptung zeigt sich das Bemühen der Anwälte der Rechten, die Medienstrategie der NPD aufrecht zu erhalten, die schon im direkten Anschluss an den Überfall von einem linken Angriff auf eine friedliche rechte Reisegruppe fabulierte.

Der Anwalt Sven Rathjens und sein Kollege und NPD-Kader Michael Andrejewski führten die Befragung der von der Gewalttat betroffenen Zeugen sehr aggressiv. Unterstützung erhielten sie dabei von den knapp zehn Neonazis im Publikum, welche die Opfer und ihre Schilderungen mit abfälligen Bemerkungen und Gelächter verhöhnten. Unter ihnen befanden sich einschlägig bekannte Rechte aus Rostock sowie aus dem Umfeld der NPD-Landtagsfraktion. Zwei von ihnen, die NPD-Kreistagsabgeordneten Torgai Klingebiel und David Böttcher, mussten die Verhandlung bereits nach kurzer Zeit wieder verlassen: Da sie sich auch in der rechten Gruppe in Pölchow befunden hatten, könnte ihnen im Prozess noch eine Rolle zukommen.

Der Prozess wird am 25. Januar um 9.30 Uhr mit weiteren Zeugenbefragungen fortgeführt.

Weitere Informationen zu den Ereignisse in Pölchow in einer Übersicht unter:
http://www.poelchow-prozess.info

Prozessgruppe Pölchow, 20. Januar 2010

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